A drink improves everything
Es sind verrückte Zeiten, in denen wir leben. Vermutlich ist der Begriff zu schwach und obendrein nicht spezifisch genug. “Verrückt” ist ja auch eine feucht-fröhliche Karnevalsparty, eine pastellfarbene Brille oder ein modischer neuer Hut. Zugleich möchte ich keine Anleihen bei Bertolt Brecht und seine “finsteren Zeiten” machen, denn die Finsternis die er in seinem Gedicht “An die Nachgeborenen” beschrieb, ist weiterhin unvorstellbar und wird derzeit oft genug von eben jenen Finsterlingen instrumentalisiert, die sich ins Herz der Dunkelheit zurückwünschen. Es könnte also besser heißen: Es sind tragische Zeiten, in denen wir leben. Denn das Dilemma zwischen menschlich so dringend benötigter Nähe und infektiologisch so dringend benötigtem Abstand ist nicht auflösbar.…
Messer und Schusswaffen
Von den Ressourcen Ressourcen – jeder will sie, jeder braucht sie, den wenigsten sind sie bewusst. Und schon bei der Definition verläuft man sich entweder in tendentiell schwammig-spirituellen Worthülsen (“Ressourcen sind Kraftquellen”) oder in übergeneralisierten und hypertechnischen Termini: Die Wikipedia informiert uns, dass es sich bei Ressourcen um “jedes Potential […]” handle, “das die Verhaltensoptionen eines Systems erhöht und damit seine Lebens- und Problemlösefähigkeit verbessert“. Aha. Wie auch immer wir sie definieren: Ressourcen sind aus der therapeutischen Arbeit nicht mehr wegzudenken. Der psychoanalytischen Therapie hat man früher oft eine zu defizitorientierte Haltung vorgeworfen, doch das hat sich durch Einbezug der salutogenetischen Ansätze, der Resilienzforschung, der Achtsamkeit, der Körpertherapie, und gewiss…
Wer braucht hier Beruhigung? Von Konsilanforderungen in der Psychosomatik
Ein rotes Kreuz blinkt hektisch neben dem Namen der Patientin. “Notfall” informiert mich das Informationssystem. Wieso eigentlich Notfall? “Patientin weint!!!” hat der unfallchirurgische Kollege in der Anamnese ergänzt. Mit drei Ausrufezeichen!!! Weint!!! Die Patientin!!! Mein Gott!!! Und was soll er da jetzt tun, der Jungassistent in der Unfallchirurgie? Na klar: die Psychotante anfordern. Wenn ich meine fünfjährige Tochter fragte, was man mit einem Menschen macht, der weint, würde sie vermutlich so etwas sagen wie: “In den Arm nehmen.” oder “Trösten.” Und Kindermund tut auch an dieser Stelle Wahrheit kund: ein weinender Mensch sollte getröstet werden. Sofort. Von dem Menschen, der ihm oder ihr gegenüber sitzt. Dafür braucht man nämlich nicht…